Weisheit

Niemand kann euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern eures Wissens schlummert. Der Lehrer, der zwischen seinen Jüngern im Schatten des Tempels umhergeht, gibt nicht von seiner Weisheit, sondern eher von seinem Vertrauen und seiner Liebe. Wenn er wirklich weise ist, fordert er euch nicht auf, ins Haus seiner Weisheit einzutreten, sondern führt euch an die Schwelle eures eigenen Geistes.

– Khalil Gibran

Gibran: „Niemand kann euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern eures Wissens schlummert.“

Niemand kann jemand anderem etwas zeigen, was nicht in Wirklichkeit, wenn auch verschüttet, schon vorhanden ist.

Es kann nur auf etwas verwiesen…  und es kann nur etwas erinnert werden.

Mit „Wissen“ ist hier natürlich kein Informations-Wissen gemeint! Solches kann selbstverständlich weitergegeben werden. Aber ab der Ebene der Weisheit, „an der Schwelle des Geistes“ kann nichts mehr gegeben werden.

Man kann auf etwas verweisen –
doch hinsehen muß jeder selbst!

Gibran: „Der Lehrer … gibt nicht von seiner Weisheit“

Denn er hat keine „eigene“ Weisheit. Sie ist flüchtig, man kann sie nicht „behalten“. Meine oder deine Weisheit gibt es genauso wenig, wie es mein oder dein Firmament gibt.

Weder dem Firmament, noch der Weisheit
ist mit dem EigentumsRecht beizukommen.

Gibran: „Wenn er (der Lehrer) wirklich weise ist, fordert er euch nicht auf, ins Haus seiner Weisheit einzutreten“

Forderte er es, würde er nicht „weise“ genannt. Doch selbst wenn er es forderte: Es wäre gar nicht möglich. Es geht nicht.

Es ist ein Paradox: Obwohl es keine individuelle („meine“) Weisheit gibt, kann sie doch nur jeder in sich selber finden – und nirgends sonst.

Wissen ist objektivierbar – Weisheit nicht.

Gerechtigkeit

Ambrosius von Mailand, Gerechtigkeit, Balance, Gemeinwohl, Weisheit, Nirmalo,

Hier ist Gerechtigkeit definiert als: Das Rechte tun. Das Richtige.

Mit diesem Satz wendet sich Ambrosius von Mailand nicht an Jedermann, sondern an die Wenigen, die ihn verstehen. Er spricht zu jenen, die bereits eine höhere Reife geistiger Art mitbringen; zu denen, die das eigene Ego erkennen können, sich aber nicht von ihm kontrollieren lassen.

Ambrosius spricht zu Menschen, die in der Lage sind, die Interessen des (oder der) jeweils Anderen zu achten und das Wohl des Ganzen in seinem Wert höher zu schätzen als den eigenen Vorteil.

Obschon in der Geste des Lehrers,
wendet sich Weisheit an Weisheit.

Verstehen

Die Natur ist so gemacht, daß sie verstanden werden kann. Oder vielleicht sollte ich richtiger umgekehrt sagen, unser Denken ist so gemacht, daß es die Natur verstehen kann.

– Werner Heisenberg

Weder – noch. Unser Denken hat nicht die Größe, die wir ihm zumessen.

Wenn wir im Verstand gefangen sind, können wir seine Grenzen nicht erkennen. Und er ist so beschaffen, daß er sich unendlich beschäftigt halten kann – mit was auch immer!

Doch die Natur ist nicht „so gemacht“, daß wir sie verstehen können. Und unser Denken ist auch nicht so gemacht, daß wir verstehen können: Wir kratzen bloß ein bißchen an der Oberfläche.

Oft bringt das Wenige, das wir zu verstehen glauben, uns und unsere Umgebung bereits in Schwierigkeiten, weil wir mit der Einordnung dessen in die komplexe Natur schon heillos überfordert sind. Unser kleiner Verstand kann nur kleinste Ausschnitte des Komlexen und die auch nur auf seine eingeschränkte Weise verstehen.

Aber wir haben die Einbildungskraft, wir könnten gar das Ganze verstehen, weil die eine oder andere unserer Ableitungen funktioniert. Manch einer glaubt sogar, die ganze Welt auf eine seiner Formeln bringen zu können. 

Könnten wir die Natur verstehen, gäbe es hier keine Kernspaltung. Wir würden weder unsere Äcker, noch das Wasser vergiften. Und die Kernschmelze würden wir der Sonne überlassen; sie kann das… problemlos.

Die Bombe funktioniert, aber
wir haben nichts verstanden.

Würden wir nur ein wenig verstehen, wir würden die aggressive Haltung der Natur gegenüber augenblicklich fallen lassen.

Es gefällt dem Verstand nicht – weil er sich nach der Occupation durch das Ego für den Größten hält – aber wir müssen die Weisheit einbeziehen, soll uns der Verstand vorwiegend von Nutzen und weniger zum Schaden sein.

Ja, er hat seine Fähigkeiten, aber nicht
die, seine Grenzen erkennen zu können.

Philosophie & Politik

Der Philosoph, der in der Öffentlichkeit eingreifen will, ist kein Philosoph mehr, sondern Politiker; er will nicht mehr nur Wahrheit, sondern Macht.

— Hannah Arendt

Das kommt auch so gut wie gar nicht vor, Hannah, daß sich ein die Weisheit Liebender für politische Ränkespiele interessiert, denn zwischen diesen beiden Ebenen klafft ein enormer Höhenunterschied.

Es gibt keine Nähe zwischen diesen beiden Typen: Wer sich zu dem Einen hingezogen fühlt, interessiert sich nicht für das Andere.

Doch für den Fall, daß wir uns dafür entscheiden, auf unserem Planeten in Würde leben zu wollen, müssen wir die Philosophie, also Weisheit & Wahrheit auch in die Politik, in die Parlamente einladen. Dazu gibt es keine Alternative. Wie wir das hinbekommen, das ist ganz uns überlassen.

Zweitens: So wie ich den Begriff Macht im Kontext deines Satzes lese, setzt du sie hier kurzerhand mit Machtmißbrauch gleich.

Doch das ist nicht zwangsläufig der Fall: Es hängt vom Grad der Geistigen Reife ab, ob jemand die ihm anvertraute Macht zum Segen gebraucht oder zum Schaden mißbraucht.

Ein reifer Mensch…
kann Macht nicht mißbrauchen.  

Und ein unreifer Mensch kann sie wohl kaum nicht mißbrauchen.

Geistige Reife 📌

Macht & Philosophie

Wenn nicht entweder die Philosophen König werden, oder die, die man heute Könige und Machthaber nennt, echte und gründliche Philosophen werden, und wenn dies nicht in Eines zusammenfällt: die Macht und die Philosophie, so wird es mit dem Elend kein Ende haben.

– Platon

Fünfzig Jahre später (ca.310 v.Chr.) ist Mengzi, ein chinesischer Lehrer, durchs Land gezogen, um – im selben Sinne wie Platon – die damaligen Machthaber dort entsprechend eindringlich zu beraten.

Er hat nicht lange herum philosophiert, sondern sich über vierzig Jahre auf den Weg gemacht, um die Macht habenden Herren aufzusuchen, die es – im Sinne des Wohls der Bevölkerung des jeweiligen Reiches – dringend nötig hatten.

Die Sache geht aber nicht nur den Platon oder den Mengzi etwas an, denn:

Wir Heutigen stehen vor dem selben Problem, daß Macht und
Weisheit keine oder nur äußerst selten eine Liaison eingehen.

Daß Macht mit Dummheit, mit Parteilichkeit und anderen Formen des Egoismus spontan zusammenfindet, ist üblich, das ist der Normalfall.

Nur gelegentlich gibt es den Sonderfall. Den bemerkt aber kaum jemand. Der ist nicht interessant, nicht sensationell: Er macht keine Schlagzeilen.

Wir sollten Platon helfen und versuchen, die Möglichkeiten herauszufinden, wie…

Macht & Weisheit
zusammenfinden.

Eignung  📌

„Man muß nicht nur den besten Staat im Auge haben, sondern auch den möglichen.“

― Aristoteles

Diesen Satz des Aristoteles verstehe ich jetzt mal als Replik auf den des Platon.

Zu Recht, denn es stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Zahl an Menschen mit einem guten Draht zur Weisheit zur Anzahl der Menschen, die in hohen und führenden politischen Ämtern gebraucht werden.

Grundsätzlich hat er Recht, der Platon. Nur sind diejenigen, die es in diese Ämter schaffen, von einem anderen Schlag als diejenigen, welche sich der Weisheit öffnen.

Beide Qualitäten werden wohl eher selten gleichzeitig und in gleicher Gewichtung in einer Person zu finden sein.

Dennoch braucht es auf den Führungs-Ebenen
beides gleichzeitig: Führungsstärke & Weisheit.

Weisheit, die innen nicht vorhanden ist, muß von außen eingebracht werden.

Also müssen die Parlamente die Tore öffnen und die Weisheit freundlich einladen, an den Beratungen zu wichtigen Entscheidungen teilzunehmen, um ihre weisliche Kompetenz dort einfließen zu lassen.

Erste zaghafte Schritte auf dem Weg dorthin kann ich in den Ethik-Kommissionen und -Räten sehen.

Logik oder Weisheit ?

Die Weisheit beginnt mit der… 
Entdeckung der eigenen Mitte.

Wenn wir es „logisch“ nennen, weil ein Apfel von oben nach unten fällt, heißt das eigentlich, daß wir es „normal“ finden, daß wir es genau so und nicht anders kennen, daß es wohl allgemein üblich ist, daß Äpfel von oben nach unten fallen. Weiter nichts. Es ist nicht logisch.

Denn wären wir es gewohnt, daß die Äpfel von unten nach oben fallen, würden wir eben das „logisch“, im Sinne von üblich, oder bekannt nennen.

Logik ist eine kognitive Hilfsfunktion;
sie hat nichts zu tun mit dem, was ist.

Eine beliebte Mogelei ist das Auflegen eines „logischen Netzes“ auf eine bereits abgelaufene vermeintliche Ereignis“kette“. Durch die Brille der Logik betrachtet, können uns die einzelnen Ereignisse als „logische Abfolge“ erscheinen, ohne dies auch zu sein.

• Es gibt viele Situationen und Bereiche, in denen uns Konstrukte wie die Logik von großem Nutzen sind (z.B. beim Konstruieren von Gebäuden, Flugzeugen, beim Einkaufen, u.s.w.).
• In anderen Situationen und Bereichen wiederum ist die Logik ausschließlich fehl am Platz.

Ein mit Zugang zur Intelligenz gesegneter Mensch wird unterscheiden können, er wird wissen, wann ein Gerüst nützlich und damit angebracht ist und wann nicht, wann es nur stört. Denn ein Gerüst bezieht seinen Wert nicht aus sich selbst, sondern erst und nur als Hilfestellung in einer konkreten temporären Konstellation.

Um solche Unterscheidungen treffen und um mögliche Verstrickungen in ein(em) Konstrukt vermeiden zu können, müssen wir immer eine höhere Ebene einnehmen. Es ist nicht anders möglich.

Wir müssen aus dem Denk-Konstrukt aussteigen, Abstand gewinnen. Albert Einstein drückte es mal so aus:

Albert Einstein, Problem, Denken, Nirmalo,

Das bedeutet aber nicht, daß es genügt, einfach bloß die Denkweise zu wechseln! 

Die Probleme sind aufgrund einer niedrigen Denkweise entstanden. Es macht also keinen Sinn, sie mit der selben oder sogar mit einer noch niedrigeren Denkweise lösen zu wollen! Ergo:

Wir müssen Probleme mit einer höheren Denkweise
lösen als der, auf der wir sie uns eingebrockt hatten.

Wenn wir dazu nicht in der Lage sind, wenn wir nicht aus dem Rad unserer Denkweise aussteigen können, bekommen wir nicht einmal mit, wann und wie tief wir in sie verstrickt sind.

Die Aussage, daß sich mit der Entdeckung der eigenen Mitte die Tür zur Weisheit zu öffnen beginnt, ist kein Ergebnis von Logik, sondern eine von jedermann verifizierbare existenzielle Tatsache.

Und daß für die Weisheit wiederum die Wahrheit Voraussetzung sei, ist keine logische Schlußfolgerung, sondern ein unabänderlicher Fakt.

Daß für die Wahrheit Mut, Rückgrat, Geradlinigkeit und Klarheit vorausgesetzt sind und die Bereitschaft, die imaginäre Angst davor zu überwinden, ist ebenfalls keine Frage der Logik. Dennoch ist es so.

Vieles ist erkennbar
aber nicht begründbar.

Das was ist, ist sichtbar und erkennbar, aber weder erklärbar, noch begründbar.

Ein weiterer Aspekt: Weisheit setzt die Unabhängigkeit von Anderen voraus.

Weisheit ist identisch…
mit geistiger Autonomie.

Weisheit setzt nicht nur die Freiheit zum Denken, sondern vor allem auch die Fähigkeit zur Freiheit vom Denken voraus.

Im Bereich der Weisheit und um die Weisheit herum mögen uns die Dinge logisch erscheinen, sie sind es aber nicht. Das liegt daran, daß wir uns an die Brille der Logik so sehr gewöhnt haben, daß wir bereits glauben, nur noch auf diese Weise sehen zu können, so als wäre die Logik ein wesentlicher Bestandteil, gar ein Organ unseres Sehvermögens.

Auf diese Weise ist die Logik zu einer Art Glaubenssystem geworden, das nun selbst nicht mehr hinterfragt wird, weil es als solches gar nicht (mehr) gesehen werden kann. Das bedeutet:

Die Brille der Logik…
verhindert klares Sehen.

Klares Sehen benötigt – wie auch die Wahrheit – keine Ursachen, keine Gründe, keine Voraussetzungen, keine Folgerichtigkeit.

Intellekt

Ein Intellektueller zu sein ist eine Berufung für jedermann: Es bedeutet, den eigenen Verstand zu gebrauchen, um Angelegenheiten voranzubringen, die für die Menschheit wichtig sind. Einige Leute sind privilegiert, mächtig und gewöhnlich konformistisch genug, um ihren Weg in die Öffentlichkeit zu nehmen. Das macht sie keineswegs intellektueller als einen Taxifahrer, der zufällig über die gleichen Dinge nachdenkt und das möglicherweise klüger und weniger oberflächlich als sie. Denn das ist eine Frage der Macht. 

— Noam Chomsky
  • Intellektuelles
  • Freies Denken
  • Weisheit
  • Macht

Der Intellektuelle steckt selbstverliebt in seinem konstruierten Glaubens-Bekenntnis von der Allmacht des Verstandes fest. Von ihm ist in deinem Sinne nicht viel zu erwarten.

Ja, Freies Denken ist eine – zumeist ungehörte – Berufung an Jedermann. Jenes Megaphon hat  damals schon der Herr Kant vergeblich bemüht. Die Leute verehren lieber den Gutenberg und lesen, anstatt sich „die Mühe“ zu machen, selber zu denken. Sie lassen lieber denken.

Eigenständiges Denken ist
eine seltene Erscheinung.

Die Wahrscheinlichkeit, daß ein „einfacher Mensch“ (Taxifahrer) weiser sein kann als ein intellektueller Mensch, ist nicht gering. Denn auch in Sachen Weisheit… stehen die Türen für Jedermann weit offen.

Der Intellektuelle kann
nicht… auch weise sein.

Er beschäftigt sich vornehmlich mit vermeintlichem Wissen und „Weisheit“ aus zweiter Hand. Unter Zuhilfenahme einer gewissen Rhetorik will er überzeugen und versucht, sich damit ins rechte Licht zu setzen.

Weisheit und Intellekt…
gehen nicht zusammen.

Denn die Weisheit wird aus anderen Quellen (aber keinesfalls aus dem Verstand) gespeist. Wer sich diesen Quellen öffnet, befindet sich – zumindest in diesem Augenblick – jenseits des Intellekts.

Ein Intellektueller, der sich auf Weisheit einläßt, läßt sich zwangsläufig auf die Wahrheit ein. Damit läßt er die trockene Haut der Intellektuellen-Attitüde unwiederbringlich hinter sich.

Was du wohl (mit deinen Worten) suchst ist der Mensch, dem eigenständiges Denken nicht fremd, die Weisheit also vertraut ist und in Verbindung mit herz-geleitetem Gemeinwohl-Interesse und Engagement die Dinge nach vorne bringt. Ja, ein solcher Mensch wird eine ihm möglicherweise verliehene Macht segensreich einsetzen.

Er zeigt die dafür erforderliche Reife.