Wissenschaft & Wahrheit

Heilig ist zwar Laktanz, der die Kugelgestalt der Erde leugnete; heilig Augustinus, der die Kugelgestalt zugab, aber die Antipoden leugnete; heilig das Offizium unserer Tage, das die Kleinheit der Erde zugibt, aber ihre Bewegung leugnet. Aber heiliger ist mir die Wahrheit.

– Johannes Kepler

Aber heiliger ist mir die Wahrheit.“
Ein schöner Satz des Johannes Kepler.

Ja, die Wahrheit sollte uns heilig sein. Das Problem mit dem Begriff Wahrheit ist, daß wir so gut wie keine Differenzierungen kennen und gebrauchen.

Grundsätzlich müssen wir zwischen der objektivierbaren und der nicht objektivierbaren Wahrheit unterscheiden.

Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit
und Wahrheit… kann ein erster Schritt sein.

Die Heiligen der Christenheit und anderer Religionen mögen zu ihrer Zeit außergewöhnliche Menschen gewesen sein, deren Äußerungen oder Handeln noch immer Inspiration sein mag. Aber auf der menschlichen Ebene waren sie ebenfalls einfach nur Menschen – in ihren Begrenzungen – wie Jedermann.

• Jeder kann nur das sehen, was er sehen kann.
• Jeder kann nur das wahrnehmen, was er wahrnehmen kann.

Der Glaube (an was auch immer) = ist ein kognitiv konstruiertes Gebilde, das uns hilft, uns (auch in einer (Glaubens-)Gemeinschaft) sicher zu fühlen, gut aufgehoben, geborgen.

Sein  Weltbild  ist dem Kollektiv von
größerer Bedeutung als die Wahrheit.

Es bedarf eines hohen Grades an Reife, sich aus den Konstrukten wieder lösen, sich auf die eigenen Beine stellen und sich also der Wahrheit öffnen zu können. Das kann dann sehr schnell gehen. Das schaffen aber nur sehr wenige, mutige Einzelne.

Das Weltbild des Kollektivs ändert sich dagegen nur sehr langsam, in Jahrzehnten, in Jahrhunderten. Beispiel: Die Konsequenzen aus den Ermittlungen der Wissenschaft der Quantenphysik sind – obwohl längst nicht mehr neu – dem Kollektiv aber gänzlich unbekannt.

Erkenntnisse kommen uns blitzartig und individuell. Glaubens-Konstrukte sind dagegen zäh, ihre Schwingung ist eine langsame. Ob die Erde eine Kugel oder eine Scheibe ist, ist dem Bauer, der regional verkauft, einerlei. Ihn interessiert viel mehr die aktuelle Wetterlage. Die Form der Erde wird für ihn erst dann relevant, wenn er die Früchte der Natur und seiner Mühen in Australien verkaufen will. 

Es gibt unendlich viele…  Wirklichkeiten.
Mit nur wenigen davon sind wir vertraut.

Wahrheit 📌
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Objektivierbarkeit

Wahrheit und Weisheit…
sind nicht objektivierbar.

Konchi Sosan, der dritte Patriarch des Zen in China (510 – 606) sagte das damals so:

Selbst wenn unsere Worte genau
und unsere Gedanken richtig sind –
entsprechen sie doch nicht der Wahrheit.

– Konchi Sosan

Die niederen Unterformen hingegen, die wir oft dummerweise komplett undifferenziert ebenfalls „Wahrheit“ nennen, sind objektivierbar, also…

Objektivierbar sind:

  • Beweis
  • Ergebnis
  • Richtigkeit
  • Schlüssigkeit
  • Wahrhaftigkeit

Wahrhaftigkeit (Ehrlichkeit) braucht den Entschluß dazu – mehr nicht. 

Wahrheit ist nicht objektivierbar! Wir können sie nicht (mit-) teilen. Jesus blieb still, als er nach ihr gefragt wurde. Sie ist keine intellektuelle Angelegenheit. Sie erschließt sich jedem, der offen, bzw. reif für sie ist: Dem Akademiker genauso, wie dem Analphabeten. Alleinige Voraussetzung ist die rückhaltlose Offenheit.

Gerd: „Kleine Ergänzung zu rückhaltloser Offenheit. Diese setzt rückhaltlose Ehrlichkeit voraus.“

Selbstverständlich. Wie könnte eine rückhaltlose Offenheit für die Wahrheit ohne radikale Ehrlichkeit möglich sein?

Gerd: „Diese beginnt bei Selbstliebe.“

Ehrlichkeit (oder Wahrhaftigkeit) braucht nur den Entschluß. Das war´s. Weiter wird nichts gebraucht. Keine Vor-Noten.

Gerd: „Schliesse Frieden mit dir selbst dann schliesse Frieden mit allen anderen.“

Weder für die Wahrheit, noch für die Wahrhaftigkeit bedarf es irgend einer „Arbeit“. Vorbedingungen gibt es hier keine. Außer:

A – Die Wahrheit verlangt radikale Offenheit. Das ist ein rein rezeptiver, entspannter Zustand.
B – Die Wahrhaftigkeit benötigt den Entschluß für sie. Das ist in gewisser Weise eine „Aktivität“.

Daß sich über die Offenheit für Wahrheit und über den Entschluß zu rücksichtsloser Ehrlichkeit… der Frieden mit sich selbst einstellt, halte ich für wahrscheinlich bis unausweichlich. Und daß wir über die Selbstliebe auch zu Wahrhaftigkeit und Wahrheit finden, halte ich ebenfalls für möglich.

Wahrheit… erschließt sich.
Wahrhaftigkeit… müssen wir beabsichtigen.

Daß aber jemand sagt: „Wahrhaftigkeit geht federleicht, wir müssen sie nicht beabsichtigen. Wahrhaftigkeit ist unsere Natur. Die Unehrlichkeit ist – als unnatürlicher Sonderfall – das Anstrengende.“ Ganz auszuschließen ist diese Möglichkeit auch nicht. 😉

Mit der Weisheit verhält es sich ähnlich wie mit der Wahrheit: Sie ist uns allen möglich; vorausgesetzt, wir befinden uns auf ihrer Schwingungsebene, haben uns ihr also geöffnet.

Andernfalls kann Weisheit (als solche) nicht einmal erkannt werden.

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Milgram-Experiment

Ein Mangel an Phantasie bedeutet den Tod der Wissenschaft.

– Johannes Kepler

Was bildet die Basis der Wissenschaft?

  • An ihrem Anfang steht die Neugierde (2).
  • Erst dann kommt das Vorstellungsvermögen, die Phantasie ins Spiel.
  • Dazu bedarf es des passenden Typus von Verstand.
  • Ohne die Bereitschaft zur Wahrhaftigkeit funktioniert sie auch nicht.
  • Der Ehrgeiz spielt den Motor, er bringt die nötige Energie.
  • Eine Bereitstellung der jeweils erforderlichen Arbeitsmittel bildet einen weiteren Teil ihres Fundamentes.
  • Und ohne Durchhaltevermögen, das durch Neugierde und/oder Ehrgeiz gespeist wird, geht es ebenfalls nicht lange.
  • Schlußendlich bedeutet ein Mangel an Verantwortungsbereitschaft (4) in der Wissenschaft: Leiden und Tod.

Im Spiegel der Geistigen Reife gesehen, bewegt sich die Wissenschaft auf der Kleinkind-Ebene (2). Erst mit der Übernahme von Verantwortung upgradet sie in den Erwachsenen-Modus (4).

Das Prinzip des Experiments des Stanley Milgram kann uns auch Hinweise auf die Gefahren durch Wissenschaft geben. In dem Sinne gemeint, daß das Experiment (als Matrize ihres Prinzips verstanden) an realen Wissenschaftlern und deren engeren Zuarbeitern zwecks Aufschluß… Anwendung findet.

Eine wissenschaftliche Untersuchung des heutigen Standes der Erkenntnis der Bedeutung von Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung in der Wissenschaft, könnte ein erschreckendes Ergebnis liefern.

Die Methode birgt ein noch unerkanntes Potenzial im Bereich der Psychologie, besonders im Forschungs-Feld des unbewußten Teils menschlichen Verhaltens.

Dazu muß die Milgram-Methode selbstverständlich modifiziert, differenzierter aufgebaut und mit intelligent formulierten Fragen gefüttert werden.

Die Wissenschaft benötigt dringend den Reifegrad, dem die Verantwortung nicht fremd ist.

Mein höchster Wunsch ist, den Gott, den ich im Äußerem überall finde, auch innerlich, innerhalb meiner gleichermaßen gewahr zu werden.

– Johannes Kepler

Wahrheit

Der Wahrheit dienen wenige in Wahrheit, weil nur wenige den reinen Willen haben gerecht zu sein und selbst von diesen wieder die wenigsten die Kraft, gerecht sein zu können.

– Friedrich Nietzsche

Im Ton macht er den Grantler, der Friedrich, doch recht hat er. Ihm geht es hier um die Lauterkeit (reinen Willen) der Intention.

Zweitens geht es um die Geistige Reife (Kraft), das als richtig (gerecht) angesehene, auch tatsächlich tun zu können.

Bestimmt sind es mehr als wir denken, die dazu in der Lage sind, nur bekommen wir solche Leute nicht so oft zu Gesicht.

Der Wahrheit verpflichtet

Mahatma Gandhi, Wahrheit, Nirmalo,

Die Wahrheit ist größer > als die Beständigkeit. Diese
Einsicht des Mahatma ist ein Ausdruck der Weisheit.

Alles Beständige ist abgestanden, tot: „Wissen“, Vorurteile, Erinnerungen…
Im Gegensatz dazu:

Wahrheit, Weisheit, Intelligenz, Liebe…
sind immer neu, zu jeder Zeit taufrisch.

Wir haben die Wahl, ob wir uns der Wahrheit verpflichten oder lieber den vertrauten Vorurteilen und unseren Ängstlichkeiten. Ob wir uns der Weisheit verpflichten, oder das Denken den Autoren überlassen. Ob wir uns der Liebe verpflichten, oder doch lieber den Versprechungen und Erwartungen. Ob wir uns der Intelligenz verpflichten, oder den Gewohnheiten. Es ist unsere Entscheidung.

Übrigens: Ein Vertreter der Bürger (Abgeordneter), der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt, wie er sie jeden Tag (auf´s neue) erkennt und nicht der Beständigkeit, ein solcher Diener des Volkes verdient Achtung und erfüllt damit eine wichtige Voraussetzung für die Wahl in ein höheres Staatsamt.

Eignung  📌

Eine Frage der Reife

Man darf nicht mogeln in den ernsten Dingen, im Politischen wie im Moralischen.

– Yves Montand

Eine Frage der Geistigen Reife:

Ein unreifer Mensch wird öfter die Unwahrheit sagen, wird ein wenig schummeln und gelegentlich mogeln…

Ein reifer Mensch ist klar und offen. Er bleibt bei der Wahrheit.

Wahrhaftigkeit…
ist ein Gradmesser
der Geistigen Reife.

Philosophie & Politik

Der Philosoph, der in der Öffentlichkeit eingreifen will, ist kein Philosoph mehr, sondern Politiker; er will nicht mehr nur Wahrheit, sondern Macht.

— Hannah Arendt

Das kommt auch so gut wie gar nicht vor, Hannah, daß sich ein die Weisheit Liebender für politische Ränkespiele interessiert, denn zwischen diesen beiden Ebenen klafft ein enormer Höhenunterschied.

Es gibt keine Nähe zwischen diesen beiden Typen: Wer sich zu dem Einen hingezogen fühlt, interessiert sich nicht für das Andere.

Doch für den Fall, daß wir uns dafür entscheiden, auf unserem Planeten in Würde leben zu wollen, müssen wir die Philosophie, also Weisheit & Wahrheit auch in die Politik, in die Parlamente einladen. Dazu gibt es keine Alternative. Wie wir das hinbekommen, das ist ganz uns überlassen.

Zweitens: So wie ich den Begriff Macht im Kontext deines Satzes lese, setzt du sie hier kurzerhand mit Machtmißbrauch gleich.

Doch das ist nicht zwangsläufig der Fall: Es hängt vom Grad der Geistigen Reife ab, ob jemand die ihm anvertraute Macht zum Segen gebraucht oder zum Schaden mißbraucht.

Ein reifer Mensch…
kann Macht nicht mißbrauchen.  

Und ein unreifer Mensch kann sie wohl kaum nicht mißbrauchen.

Geistige Reife 📌